Jeder kennt sie, kaum einer weiß, was sich hinter den Meterdicken Mauern aus Stahlbeton versteckt.
Durch meine enge Zusammenarbeit mit dem "Forscherteam Wiener Unterwelten" und insbesonders Dr. Marcello La Speranza, der in den meisten Türmen die archäologischen Ausgrabungen und Sicherungsarbeiten geleitet hat, ist mein Interesse an den Türmen über die Jahre immer weiter gewachsen.
"Das Besondere an den Flaktürmen ist, dass sie die letzten oberirdischen Bollwerke oder Festungsbauten der Menschheit sind. Heute würde niemand mehr auf die Idee kommen einen überirdischen Bunker zu bauen - das wäre ja garnicht mehr realisierbar bei der Sprengkraft der heutigen Waffen. Heute baut man in den Untergrund um sicher zu sein"
Gerade diese Aussage, die Dr. La Speranza bei seinen Führungen durch den einzigen öffentlich zugänglichen Flakturm, das Haus des Meeres immer wieder von sich gibt, beschreibt sehr gut, wie wichtige die Türme eigentlich für unsere Geschichte sind. Nicht nur als Mahnmal, dass so etwas NIE WIEDER passieren darf, sondern auch als Relikt aus anderen Zeiten.
Über ganz Wien verteilt gibt es insgesamt 3 Flakturm Paare, die jeweils aus einem Leit- und einem Gefechtsturm bestehen. Die Duale Bauweise war aus dem einfachen Grund erforderlich, da der Gefechtsturm, auf dem die 12,8 Zentimeter Flakgeschütze (Flugabwehrkanone) montiert waren während dem Beschuss eine Eigenschwingung entwickelte und so keine zielsichere Bemessung und Erfassung der Flugbahnen mehr möglich gewesen wäre.
So wurden in den Kriegsjahren 1942 bis 1945 drei - meist dicht beieinanderliegende - Turmpaare in einem Dreieck um die Innere Stadt angelegt.
Die touristisch bekanntesten Türme stehen im Augarten. Hierbei handelt sich um das Paar VII mit dem Codenamen "Peter".
Gebaut wurden sich nach dritten Bauart, bei der der Gefechtsturm nahezu rundlich ist um einem möglichen Beschuss bestmöglich standzuhalten. Mit einer Höhe von 55 Metern ist der Gefechtsturm der höchste aller Türme in Wien. Kurz nach Kriegsende lösten spielende Kinder eine Explosion aus, weshalb der Turm innen komplett devastiert ist und 2006 auch das Umfeld gesperrt werden musste, da es zu Schuttverlagerungen kam - Aus diesem Grund musste auch ein Teil der beschädigten umlaufenden Plattform (Schwalbennester) abgetragen werden.
Der Leitturm ist 53 Meter hoch, verfügt über 12 Stockwerke und ist ebenso nicht genutzt.
Das Paar V ist das einzige, welches komplett genutzt wird. Der Gefechtsturm, welcher im Innenhof der Stiftskaserne steht wurde im Kalten Krieg ABC (Atomar, Biologisch, Chemisch) sicher ausgebaut und beherbergt bis heute einen Schutzraum für die Regierungsspitze und Studioräume des ORF, welche zum Beispiel während der COVID Pandemie genutzt wurde um ein zweites, autarkes Studio zu haben.
Der neunstöckige Gefechtsturm ist ebenso wie der elfstöckige Leitturm nach der dritten Bauform erbaut worden, welche es nur in Wien gibt. Grund dafür war neben der sichereren Bauform auch der enorme Rohstoffmangel. So wurde bei den Mauern und Decken Beton und Eisen eingespart.
Im Leitturm ist seit 1958 das private Haus des Meeres untergebracht, welches den Turm 2015 um einen symbolischen Euro erworben hat. Dieser Flakturm ist der einzige in Wien, der öffentlich zugänglich ist. An dieser Stelle eine enorme Empfehlung: Unbedingt neben den tollen Tieren auch das Museum "Erinnern im Inneren", welches von Dr. La Speranza geleitet wird einen Besuch abstatten! Unzählige spannende originale Exponate und viele tolle Erzählungen von Österreichs Experten auf dem Gebiet warten auf euch!
Das älteste Flakturmpaar ist das Paar VIII im Arenbergpark, welches in den Jahren 1942 und 1943 erbaut wurde. Die Türme der zweiten Bauart sind 42 Meter (G-Turm) und 39 Meter (L-Turm) hoch und und sind ebenso wie die anderen beiden Paare mit einem unterirdischen Tunnel zur Datenübertragung verbunden.
Der über 178 000 Tonnen schwere Gefechtsturm mit dem Codenamen "Baldrian" wird heute vom MAK als Lager genutzt und war bis 2014 immer wieder öffentlich zugänglich. Für seine Neunutzung wurden nahezu alle Zwischenwände entfernt - somit ist flächenmäßig größte Flakturm (über 12 600 Quadratmeter Nutzfläche) ebenfalls nicht mehr original erhalten.
Wiens Ausnahme ist der zugehörige Leitturm, der über eine 4 Meter dicke Decke und 2,50 Meter dicke Wände verfügt. Hier ist trotz der Nachnutzung als Lager von Siemens Halske nahezu alles original erhalten worden. Besonders an dem Leitturm sind auch die vielen zurückgelassene (meist geschredderten) Akten und Inschriften und Malereien der Schutzsuchenden und Zwangsarbeiter, welche in den Jahren 2005 und 2006 von Archäologen unter der Leitung von Dr. La Speranza gesichtet und dokumentiert wurden. Hierbei wurden auch die originalen Baupläne aus dem Büro des Architekten Friedrich Tamms entdeckt.
Dem Leitturm und seinen unzähligen Relikten ist eine großes Kapitel in dem Buch "Flakturm-Archäologie" von Dr. Marcello La Speranza gewidmet.
Auf dem Leitturm war der Würzburger Riese (ein wertvolles Messinstrument zum Erfassen der Flugbahnen des feindlichen Fliegerverbands) stationiert. Um das Gerät vor Beschuss zu schützen, konnte es in einem rund 10 Meter tiefem Schacht abgesenkt werden, der vom neunten bis in den achten Stock reicht und mit einer Stahlplatte abgedeckt werden. An dieser Stelle wächst heute ein Baum.
Im Erdgeschoss und im Ersten Stock war neben der Haustechnik, welche auch den dritten Stock belegte eine Krankenstation für Verletzte des benachbarten Klinikum Landstraße eingerichtet. Im zweiten, vierten und fünften Stock fand die Zivilbevölkerung Schutz vor den tödlichen Bomben, für Mütter und Kinder gab es dabei ein extra Stiegenhaus.
Um den enormen Ansturm zu bewältigen gab es neben dem Haupt Stiegenhaus, welches um den Aufzug verläuft und bis in den achten Stock geht auch noch 3 andere, die im zweiten Stock endeten. Bis in den sechsten Stock verläuft ebenfalls noch ein Stiegenhaus.
Genau wie meinen Kollegen vom Forscherteam Wiener Unterwelten ist es mir sehr wichtig, sowohl die vielen negativen Seiten rund um die Türme (menschenunwürdige und ausbeuterische, meist tödliche Zwangsarbeit ohne Rücksicht auf menschliche Verluste) aber auch die positiven Seiten (Schutzräume für tausende Menschen, fast ausschließlich Frauen und Kinder) zu beleuchten!
Fakt ist:
NEVER AGAIN
Nun möchte ich euch einen Einblick in einen der Türme geben, der noch nahezu original erhalten ist. Beschreibungen zum Bildinhalt befinden sich wie immer unter dem jeweiligen Bild!
Eingangsbauwerk
Luftschutzvorhalle bei Haupteingang
Gasschleuse Stiege 4
Drucktüre Firma Victor Otte Stahlbau
Gasschleuse Stiege 2
Hauptstiegenhaus mit Personen- und Frachtenaufzug, welcher bis in den achten Stock geht
Erst Gefechtsbatterie...
Inschrift Nebenstiegenhaus zweiter Stock
-
Der Aufenthalt in der Vorhalle ist für Luftschutzsuchende ausnahmslos verboten!
...dann Kriegsversehrte
Inschrift Nebenstiegenhaus dritter Stock
Holztüre im sechsten Stock
Gang im fünften Stock
Fundstücke und Schautafeln - zusammengetragen von Dr. La Speranza, leider über die Jahe geplündert und verwüstet
Inschrift vmtl. v. Schutzsuchenden mit 11.7.1944 dadtiert
Inschrift vmtl. v. Soldaten
Zeichnung v. Stuka (Flugzeug)
Luftschutzraum / Werkshalle
Inschrift sechster Stock
Hauptstiege mit Leuchtfarbe
WC mit verbrannten Akten
Schlauchhaspel
Originale Hocker mit Kissen
Mullbinden vom verbrannten Sanitätsraum im fünten Stock
Holzkiste mit russischer Inschrift und Gießkanne
Ärztlicher Begleitschein des Standortlazaretts
Hauptgang im vierten Stock
Gänge und Technikräume im zweiten Stock, Keller und Erdgeschoß
Guckloch vom Leitstand
eingemauerter "Holzdübel"
Schutzklappe
Der grüne Betonkoloss - Der Baum steht im Schacht, wo in Kriegstagen der Würzburger Riese versenkt werden konnte
Auch im Detail grünt es
Rund 3 Meter dicke Mauern
Aussicht vom Turm
Füllmaterial von Matratzen und Akten
Originale Matratzen
Zweites Hauptstiegenhaus
Herrenaborte
WC
Damen Aborte mit geschredderten Akten
Vorsicht Luftschacht!
Tür zur Technikzentrale
Lüftungsanlage aus Holz (Rohstoffmangel)
Leuchtschrift 1
Aussicht in der Nacht
Leuchtschrift 2
Inschrift "NUR WEHRMACHT IN UNIFORM" über Haupteingang